Wenn man sich so lange mit E-Mail-Marketing beschäftigt wie ich, gibt man viele Einschätzung ab. Mit vielen Prognosen lag ich dabei richtig – doch mit einigen auch gewaltig daneben. Hier eine Liste meiner größten Irrtümer:

 

1. Die Öffnungsrate wird (langsam aber doch) sinken.

Da war ich mir absolut sicher. Durch die zunehmende Verbreitung von WhatsApp, Facebook Messenger, Signal und ähnlichen Diensten wird die Öffnungsrate mittel- und langfristig sinken. Einfach weil wir Menschen immer mehr Kanäle zur Verfügung haben, dass wir pro Medium immer weniger Zeit investieren können. Und außerdem bekommen wir immer mehr Mails, was ebenfalls dazu führt, dass wir weniger davon auch wirklich öffnen.

Fakt ist allerdings, dass die Öffnungsrate seit gut zehn Jahren nahezu konstant ist. Wie eine Studie zur Entwicklung der Öffnungsrate von dialog-Mail gezeigt hat, schwankt sie kontinuierlich in der Bandbreite von 27-29%. Von einem Rückgang keine Spur.

 

2. Datenschutz wird für die meisten Unternehmen eine Top-Priorität.

Es ist fast genau 5 Jahre her, dass die DSGVO Geltung erlangt hat. Auch hier war ich mir sicher: Die (relativ) klaren Vorgaben und die (theoretisch) hohen Strafen werden dazu führen, dass die meisten Unternehmen das Thema Datenschutz (endlich) ernst nehmen. Und dass viele Unternehmen auch begreifen, dass Datenschutz auch eine große Chance – zum Beispiel in der Kommunikation mit Interessenten und Kunden – sein kann.

Doch nach einer anfänglichen Panik und Hektik ist meiner Beobachtung nach das Thema bei vielen Unternehmen wieder eingeschlafen. Obwohl beispielsweise der Einsatz von amerikanischen System nicht DSGVO-konform ist, unternehmen viele Unternehmen nach wie vor keine Anstrengungen, um nach einer legalen Alternative zu suchen.

Einer von vielen Gründen ist hier sicherlich auch die überaus lasche Politik der Datenschutz-Behörden, die selten klare Aussagen treffen und bei Vergehen auch kaum abschreckende Strafen verhängen. Datenschutz-Verletzungen sind wieder zu einem Kavaliersdelikt bzw. einem einkalkulierten Risiko geworden.

 

3. Künstliche Intelligenz kommt irgendwann 2030.

Seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, wurde immer wieder von den unglaublichen Möglichkeiten der KI (genauer: Machine Learning) geschwärmt. Ich war mir auch sicher: Das wird groß. Doch erst in vielen Jahren.

Doch die Explosion der verschiedenen Dienste wie ChatGPT im letzten Jahr hat gezeigt: KI ist hier und jetzt. Und verändert bereits jetzt viele Berufe und Tätigkeiten. Auch wenn nicht alles Licht ist (ChatGPT und Newsletter: Eine Traumhochzeit?), so ist jetzt schon klar: Die neuen Möglichkeiten sind umfassend und enorm. Und sie beginnen jetzt.

 

4. Wenn ein E-Mail zur falschen Zeit kommt, wird es einfach später geöffnet.

Das war vielleicht einer meiner größten beruflichen Überraschungen: In meiner grenzenlosen Naivität dachte ich, dass ein Mailing einfach später gelesen wird, wenn es zu einem Zeitpunkt eintrudelt, an dem man dafür keine Zeit hat.

Doch eine Studie über den idealen Versandzeitpunkt hat gezeigt: Der Versandzeitpunkt kann einen enormen Einfluss auf die Öffnungsrate haben. Größer noch als die Betreffzeile! Und wesentlich größer, als ich für möglich gehalten hätte.

Daher die klare Empfehlung: Testen Sie unterschiedliche Versandzeitpunkte und finden Sie den idealen Zeitpunkt für Ihre Zielgruppe!

 

5. Kunden verwenden die Funktionen, die sie verlangen.

In meiner täglichen Praxis begegne ich immer wieder langen Anforderungslisten (an ein Newsletter-System): A/B Tests natürlich, 100% DSGVO-Konformität, Drag&Drop Mailing-Erstellung, mächtiger Formular-Editor, Landing-Pages, umfangreiche Analysen, Workflows und Marketing Automation (und viele mehr).

Doch bei all der Begeisterung für die Möglichkeiten zeigt sich bald: In der täglichen Praxis benutzen die allermeisten Unternehmen nur einen Bruchteil der Funktionen, die sie vorher zu vehement gefordert haben.

Unsere Freunde von dialog-Mail haben zum Beispiel für das gesamte Jahr 2022 recherchiert, dass knapp 90% aller Kunden keinen einzigen (!) A/B Test verschickt haben. Obwohl diese Funktion für alle Kunden kostenlos ist maximal 2 Minuten Mehraufwand bedeutet. Der Grund: Es fehlt die Priorität für den Kanal, der professionelle Anspruch und einfach die personellen Ressourcen.

 

Fazit: Auch aus Fehlern kann man lernen.

„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ Dieses Zitat wird (u.a.) Karl Valentin zugeschrieben und bringt wohl das Problem perfekt auf den Punkt.

Fehleinschätzungen gehören zum Leben dazu. Wichtig ist nur, dass man daraus seine Lehren zieht und die Irrtümer dazu verwendet, die eigenen Einschätzungen zu verbessern. Ich hoffe, das mache ich auch – zumindest immer wieder. :-)

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Über den Autor

Michael Kornfeld ist mit einer über 25-jährigen Laufbahn ein leidenschaftlicher Verfechter von E-Mail-Marketing. Er hält zahlreiche Seminare und Fachvorträge und zählt zu den renommiertesten Experten Österreichs auf diesem Gebiet.

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