Die allermeisten Newsletter-Versender messen Öffnungen, Klicks, Abmeldungen, vielleicht auch Conversions oder Umsätze.

Und die allermeisten dieser Versender nehmen die Kennzahlen ihres Anbieters für bare Münze. Und hinterfragen gar nicht, ob die Zahlen überhaupt aussagekräftig und damit zuverlässig sind.

 

Falsche Zahlen führen zu falschen Entscheidungen.

Das ist keine philosophische Frage. Denn auf Basis der Kennzahlen werden ja vielfach Entscheidungen getroffen:

  • Entwickelt sich die Öffnungsrate positiv oder negativ, besteht hier Handlungsbedarf?
  • Wie viele Menschen haben sich für das neue Angebot interessiert?
  • Sollte das Design überarbeitet werden, zum Beispiel weil viele Mails mit einem Smartphone geöffnet werden?

 

Es gibt mehr Verzerrungen als den meisten Versendern bewusst ist.

In jedem Online-Marketing Kanal gibt es Verzerrungen. Kein System der Welt kann die Realität zu 100% abbilden. Doch das ist gar nicht das Problem.

Das Problem ist, dass es viele Möglichkeiten gibt, die Verzerrungen zu minimieren. Das Problem ist, dass viele Kunden gar nicht wissen, wie aussagekräftig die Zahlen de facto sind. Und das auch nicht hinterfragen.

Hier ein paar Beispiele aus dem E-Mail-Marketing Bereich:

  • Apple Mail Privacy Protection (AMPP): Seit dem iOS Update 15 werden alle Mails an Apple Mail-Clients automatisch als geöffnet gewertet. Das kann sich massiv auf die Öffnungsrate auswirken. Die Experten von Dialog-Mail haben dazu eine Studie über die Auswirkung durchgeführt: „Die Auswirkungen der Apple Mail Privacy Protection“. Tipp: Wenn Ihre Öffnungsrate in den Monaten ab November 2022 plötzlich deutlich gestiegen ist, sollten Sie Ihren Anbieter wechseln.
  • Erkennung der Öffnungsrate: Es gibt mehrere Verfahren, um eine Öffnung festzustellen: Durch ein Tracking-Pixel oder durch die Klicks der Empfänger. Um möglichst viele Öffnungen auch erkennen zu können, sollten alle diese Verfahren eingesetzt werden.
  • Beispiel Bilder-Blockade: Bei vielen Mail-Programmen werden die Bilder nicht sofort angezeigt, sondern müssen heruntergeladen werden (z.B. Outlook). Damit kann eine Öffnung nicht durch das Tracking-Pixel festgestellt werden.
  • Lesefenster: Durch Öffnungen im Lesefenster des Mail-Programmes (Vorschau-Fenster) kann es zum Abruf des Tracking-Pixels und damit zu einer falschen Wertung als Öffnung kommen.
  • Klicks durch Bots: Manche Anti-Viren- oder Anti-Spam-Programme rufen einen Teil der Links ab, um die Landing-Pages nach Viren oder Malware zu untersuchen. Das kann die Analyse der Klicks (und damit auch der Öffnungen) wesentlich verzerren.
  • Erkennung der Mail-Programme: Auch die Erkennung, mit welchen Mail-Programmen die Newsletter geöffnet werden, ist nicht trivial. So identifizieren sich zum Beispiel manche Lotus-Notes Versionen als Outlook.

 

Kleiner Anbieter-Check mit ernüchterndem Ergebnis.

Im Rahmen meiner Lektoren-Tätigkeit an der FH St. Pölten haben meine Studenten eine kleine Marktstudie durchgeführt und hinterfragt, ob und welche Maßnahmen zur Korrektur der Kennzahlen durch mehrere Anbieter getroffen werden.

Das Ergebnis war tatsächlich schockierend. Die meisten Anbieter unternehmen entweder so gut wie gar keine oder nur rudimentäre Anstrengungen, um ihre Kennzahlen zu korrigieren bzw. zu bereinigen.

Ein Anbieter begründete das Fehlen jeglicher Maßnahmen sogar mit den Worten: „Den Kunden ist das ohnehin egal, danach fragt keiner.“

 

Was sollten Sie daraus lernen?

Wenn man keine zuverlässigen Kennzahlen bekommt, kann man auch keine sinnvollen Entscheidungen treffen.

Oder noch schlimmer: Im Vertrauen auf die Aussagekraft der Kennzahlen treffen Sie eventuell sogar falsche Entscheidungen.

Die Konsequenz ist einfach: Sie sollten Ihrem Dienstleister ein paar wichtige grundlegende Fragen stellen:

  • Wie genau wird die Öffnungsrate gemessen? Wie zuverlässig ist die Erkennung nach Einschätzung des Anbieters?
  • Wird die Apple Mail Privacy Protection erkannt und die Öffnungsrate entsprechend korrigiert?
  • Wird die Bilder-Blockade berücksichtigt und wird zum Beispiel eine Schätzung berechnet, wie hoch die tatsächliche Öffnungsrate war?
  • Wie werden „falsche“ Öffnungen durch Lesefenster & Co. erkannt und bereinigt (
  • Werden besonders kurze Öffnungen (z.B. unter 3-4 Sekunden) bewusst verworfen, damit nur Öffnungen erfasst werden, in denen der Leser die Inhalte auch wahrnehmen konnte?
  • Werden Klick-Bots erkannt und deren Fake-Klicks gefiltert?
  • Werden Fake-Klicks von Download-Managern und ähnlichen Tools erkannt und gefiltert?
  • Wird die Klickrate um eine bereinigte Klickrate ergänzt, die „unproduktive“ Links (Abmeldung, Impressum, usw.) automatisch ignoriert?
  • Wie zuverlässig ist die Erkennung der Mail-Programme? Wurde hier eine eigene Erkennung entwickelt und wird diese laufend aktualisiert?

Wenn Ihr Anbieter auf solche Fragen keine oder nicht zufriedenstellende Antworten liefert, sollten Sie sich überlegen, wie wichtig der Kanal „E-Mail Marketing“ für Sie ist. Daraus ergibt sich wohl auch die Frage nach der Wichtigkeit der Kennzahlen.

Denn wichtige strategische Entscheidungen können immer nur so gut sein wie die Daten, auf denen sie basieren.

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Über den Autor

Michael Kornfeld ist mit einer über 25-jährigen Laufbahn ein leidenschaftlicher Verfechter von E-Mail-Marketing. Er hält zahlreiche Seminare und Fachvorträge und zählt zu den renommiertesten Experten Österreichs auf diesem Gebiet.

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